40 Jahre Schengen – der enttäuschte Traum einer EU ohne Binnengrenzen
Berlin, 13. Juni 2025 - Pressemitteilung zum 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Schengener Abkommens
Zum 40. Jubiläum des Schengener Abkommens erinnert die Europäische Bewegung Deutschland e.V. (EBD) an die historische Bedeutung offener Grenzen für den europäischen Alltag und als Symbol für die Grundfreiheiten der Europäischen Union. Zugleich kritisiert die EBD das mangelnde Gespür der Politik in Berlin für die Realitäten im den Grenzregionen und die fatale europapolitische Signalwirkung der verschärften Grenzkontrollen. Während Grenzpendlerinnen und Grenzpendler diese als zusätzliches Alltagshindernis ertragen müssen, weckt diese reine Symbolpolitik (168 Rückweisungen) falsche Erwartungen, stellt die Rechtsstaatlichkeit in Frage und schafft weder Sicherheit noch bessere Integration in Deutschland lebender Migranten und Migrantinnen.
Dr. Anna-Maija Mertens, Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland e.V., betont:
„Grenzkontrollen behindern den Alltag, den Warenverkehr und den Zusammenhalt in Europa. Sie belasten die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und schaffen weder mehr Sicherheit noch bessere Integration. Wer den Schengen-Raum infrage stellt, gefährdet das Vertrauen in ein geeintes Europa.“
Bernd Hüttemann, Generalsekretär der EBD, ergänzt:
„Berlin kennt den Wert offener Grenzen nicht mehr. Wer tagtäglich über Grenzen pendelt – ob zur Arbeit, zur Ausbildung oder zur Familie – erlebt Europa im besten Sinne. Doch diese Lebensrealität ist für viele politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen weit weg. Statt auf europäische Lösungen zu setzen, flüchtet man sich in nationale Reflexe.“
Millionen Menschen leben Europa grenzüberschreitend – und Berlin weiß nicht einmal, wie viele.
Die EBD verweist auf die rund 20 Millionen Menschen, die in deutschen Grenzregionen leben. Für sie sind offene Grenzen keine abstrakte Idee, sondern alltägliches Leben. Wer jedoch im Berliner Regierungsviertel politische Verantwortung trägt, kennt oft weder das Ausmaß noch die Qualität dieses europäischen Alltags. Daten zu den täglichen Grenzpendlerzahlen fehlen oder werden nicht systematisch genutzt. Auch deshalb bleibt die Debatte über Symbolpolitik wie stationäre Grenzkontrollen inhaltsleer – und gefährlich.
Errungenschaften des Schengen-Raums
Die EBD hebt anlässlich des Jubiläums 40 Jahre Schengen konkrete Errungenschaften des Schengen-Raums hervor, darunter:
- Abschaffung systematischer Grenzkontrollen
- Ermöglichung von über 3 Millionen täglichen Grenzpendlerinnen und Grenzpendlern
- Stärkung der Grenzregionen durch Eurodistrikte und EUREGIOs
- Entstehung gemeinsamer Arbeits- und Bildungsräume
- Erleichterungen für den Binnenmarkt, insbesondere für mittelständische Unternehmen
- Schneller Zugang zu grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung
- Förderung interregionaler Infrastrukturprojekte
- Gemeinsame Sicherheits- und Polizeiarbeit
- Tourismus ohne Grenzen
- Rechts- und Planungssicherheit für grenzübergreifende Projekte
Zur politischen Einordnung siehe: netzwerk-ebd.de/politik/ebd-politik/europagrenzenlos/
Gegen Symbolpolitik – für europäische Hausaufgaben
Grenzkontrollen mögen Handlungsfähigkeit vorspielen, lösen aber weder migrationspolitische, noch sicherheitspolitische, noch wirtschaftliche Herausforderungen. Sie sind ein Hinweis darauf, dass die europäische Integration – insbesondere im Bereich des Binnenmarktes mit freiem Personenverkehr – vernachlässigt wird. Wer den Schengen-Raum aushöhlt, verspielt Vertrauen und gefährdet nicht zuletzt Arbeitsplätze und Investitionen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Berlin in einem nationalen Elfenbeinturm verliert. Schon während der COVID-19-Pandemie zeigte sich, dass die damalige schwarz-rote Bundesregierung keinen koordinierten Plan hatte, um den Schengen-Raum und die Freizügigkeit zu schützen. Grenzschließungen wurden vielfach ohne europäische Abstimmung verhängt – mit erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Menschen in den Grenzregionen. Diese politische Blindstelle darf sich nicht wiederholen.
Die EBD fordert daher:
- ein systematisches Monitoring von Grenzpendlerbewegungen
- ein Sofortprogramm zur Stärkung grenzüberschreitender Strukturen
- die Durchsetzung rechtskonformer Schengen-Regeln durch die Europäische Kommission
- den Verzicht auf national isolierte Grenzmaßnahmen ohne europäische Rückkopplung
- den Ausbau digitaler Grenzlösungen wie „Green Lanes“
„Wer glaubt, mit Schlagbäumen europäische Probleme lösen zu können, hat die Union nicht verstanden. Wir brauchen mehr Europa – nicht weniger“, so Hüttemann.