Die Agenda 2030 im Blick – Reparieren statt Wegwerfen | EP-Berichterstatter im Dialog mit Prof. Dr. René Repasi zum Recht auf Reparatur
„Jede und Jeder in der Gesellschaft muss sich die Reparatur leisten können“. Dies ist eine der Anforderungen, die Herr Prof. Dr. René Repasi, Abgeordneter des Europäischen Parlaments, an die EU-Richtlinie zum Recht auf Reparatur stellt.

Die Vermeidung von Müll und unnötigem Ressourcenverbrauch stehen bei der EU-Initiative „Recht auf Reparatur“ im Mittelpunkt. Nachdem die Kommission Ihre Vorschläge hierzu veröffentlicht hat, ist nun das Europäische Parlament am Zug. Einen Einblick in die Arbeit und aktuellen Stand des Gesetzgebungsprozesses in den Ausschüssen gab Prof. Dr. Repasi bei der EBD-Veranstaltung „EP-Berichterstatter im Dialog“ am 05. September 2023 im Europäischen Haus. „EP-Berichterstatter im Dialog“ ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Deutschland und der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) e.V. Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch ein Grußwort von Georg Pfeifer, Leiter des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Deutschland. Die Moderation der Diskussion übernahm EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann.
Die EU-Richtlinie „Recht auf Reparatur“ soll in 15 Jahren schätzungsweise 18,5 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen, 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen und drei Millionen Tonnen Abfall einsparen. Bis es so weit ist, hat das Gesetz noch einen langen Weg vor sich. Nach der Abstimmung im Plenum des EP geht das Dossier voraussichtlich im Dezember in den Trilog.
Das Recht auf Reparatur ist ein Thema, welches sich partei- und länderübergreifend großer Unterstützung erfreut und „Mobilisierungswirkung haben kann“. Wie Prof. Repasi ausführte, beschäftigt sich aktuell der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz mit der Vorlage und erarbeitet eine Positionierung des Europäischen Parlaments in Replik auf die Vorlage der Kommission.
Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Verkäuferinnen und Verkäufer im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung eine Reparatur anbieten müssen, solange sie günstiger als ein Ersatzprodukt ist. Die Reparatur soll nun die attraktivere Option werden. Konkret sieht der Vorschlag vor:
- Recht auf Reparatur innerhalb und außerhalb der Garantiefrist
- Transparenz bei den Kosten für eine Reparatur
- „Matchmaking-Online-Reparaturplattformen“
Zudem sieht der Kommissionsvorschlag die Entwicklung eines europäischen Qualitätsstandards für Reparaturdienstleistungen vor. Der aktuelle EU-Kommissionsvorschlag im Detail und Wortlaut ist hier zu finden.
Prof. Dr. Repasi betonte, dass es hierbei besonders wichtig sei, die Anreize für Reparaturen zu verbessern. Problematisch für das Recht auf Reparatur sind aktuell die Kosten der Reparatur, die oft viel zu hoch sind. Denn die Ersatzteile sind oft teuer, hinzu kommt die Arbeitszeit des Reparaturdienstleisters. Ersatzteile und die entsprechenden Werkzeuge müssen daher zu einem marktgerechten Preis und damit deutlich günstiger als aktuell verfügbar sein. Damit sich jeder die Reparatur leisten kann und ein gleichberechtigter Zugang gewährleistet ist, müssen die Länder ihren Beitrag leisten und bei der Finanzierung helfen. Nur so kann das Konsumverhalten in Richtung Reparatur verändert werden. Wie eine solche Unterstützung aussehen könnte, zeigen bereits Thüringen, Österreich oder Frankreich. Während Österreich nicht abgerufene Mittel aus dem Corona-Topf verwendet, nimmt Frankreich die Hersteller in die Pflicht. Letzteres Modell ist deshalb so attraktiv, weil die Mitgliedstaaten oft zögern, eigene Mittel einzusetzen. Deshalb ist dieser Teil der Richtlinie in der Positionierung des EPs bislang bewusst offen formuliert. Wie auch vom EBD-Mitglied der Verbraucherzentrale Bundesverband angemerkt, sollte laut Prof. Dr. Repasi der Produktkatalog im Anhang der Richtlinie zumindest um diejenigen Produkte erweitert werden, die als sogenannte „No-Brainer“, wie zum Beispiel Fahrräder, auf jeden Fall reparierbar sind. Diesen Punkt wolle er in den Ausschuss zur Diskussion tragen.
Ein weiteres Hindernis für Reparaturen ist, dass nach einer Reparatur keine neuen 2 Jahre Gewährleistung gelten, während für ein erhaltenes Ersatzprodukt wiederum zwei neue Jahre Gewährleistung gelten. Es muss auch verhindert werden, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in ein „Reparatur-Ping-Pong-Spiel“ geraten, bei dem sich Verkäufer und Hersteller gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Hier sind klare Regelungen erforderlich. Außerdem muss die Reparaturzeit verkürzt werden.

Bei der anschließenden Diskussion gingen die Anmerkungen und Fragen des Publikums in eine ähnliche Richtung. So wurde darauf verwiesen, dass häufig das Problem bestehe, dass Standardersatzteile aufgrund unterschiedlicher Produktausführungen nicht verfügbar seien. Herr Repasi sieht die Antwort ganz klar in einem Open Knowledge und Open Source Prinzip. „Reparierbarkeit muss eine Produkteigenschaft sein“. Dazu soll zusätzlich die Ökodesign-Verordnung als Instrument für den Umbau der Wirtschaft dienen. Eine Vorbildfunktion, wie offenes Wissen aussehen kann, hat laut Prof. Dr. Repasi die Automobilbranche, in der die Praxis der Reparatur bereits gang und gäbe ist.
Ein Vertreter des Zentralverbands für Deutsches Handwerk beklagte, dass die Richtlinie ein Reparaturformular für die Reparaturdienstleisterinnen und Dienstleister vorsieht. Dies bedeute nur mehr Bürokratie für die Handwerkerinnen und Handwerker. Zudem befürchte er ein „race to the bottom“, worunter die Qualität, vor allem aber die kleinen und mittleren Unternehmen leiden würden. Auch bezüglich der Software Aktualisierungen von Produkten sieht der EP-Berichterstatter die Hersteller in der Pflicht: „Der Hersteller ist verpflichtet die Funktionsfähigkeit des Produkts und damit der Software zu gewährleisten."
Prof. Dr. Repasi ist sich sicher, dass die Richtlinie auch „vom großen Interesse für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ ist, denn die Unternehmen in Deutschland produzieren meist sehr hochwertige und langlebige Produkte, die durch ein verpflichtendes Recht auf Reparatur noch attraktiver werden. Auch Generalsekretär Bernd Hüttemann sieht im Recht auf Reparatur ein Thema mit großem Potenzial, welches die „Europawahl anheizen“ kann.