Nachgefragt bei… Prof. Dr. Funda Tekin

Mit dem Format „Nachgefragt bei“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort. Heute heißt es mit dem Fokus auf die ungarische EU-Ratspräsidentschaft: Nachgefragt bei… Prof. Dr. Funda Tekin, EBD-Vorstandsmitglied und Direktorin des Instituts für Europäische Politik in Berlin.

Frau Prof. Dr. Funda Tekin, am 1. Juli 2024 übernahm Ungarn für die kommenden sechs Monate den Ratsvorsitz in der EU von Belgien. Was erwarten Sie europapolitisch von der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft im Zusammenspiel mit dem neu gewählten Europaparlament?

„Mit dem Motto der EU-Ratspräsidentschaft „Make Europe Great Again“ und den Treffen mit Wladimir Putin und Xi, die von den anderen 26 EU-Mitgliedstaaten nicht befürwortet wurden, hat Victor Orban gleich zu Anfang deutlich gemacht, dass er eine eigene Agenda für die Ratspräsidentschaft hat. Er unterläuft damit die Funktion des „honest-brokers“ einer Ratspräsidentschaft. Europapolitisch ist es von Vorteil, dass Ungarn die Ratspräsidentschaft direkt nach den Europawahlen übernommen hat, weil die legislative Agenda in der zweiten Jahreshälfte 2024 eher dünn sein wird. Dennoch ist abzusehen, dass die ungarische Ratspräsidentschaft die EU-Mitgliedstaaten eher spalten als einen wird.“

Die Stärkung von EU-Grundwerten wie fairen Wahlen, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz sind uns als EBD ein wichtiges Anliegen. Was erwarten Sie in diesem Kontext von der ungarischen Ratspräsidentschaft?

„Leider kann in dem so wichtigen Bereich der Rechtsstaatlichkeit nicht viel erwartet werden. Die Ratspräsidentschaft hat die Funktion des „Agenda-Settings“ und es ist unwahrscheinlich, dass Ungarn zum Beispiel Reformen zur Schärfung der Rechtsstaatlichkeitsinstrumente, die so dringend nötig wären, vorantreiben wird. Anders herum kann Ungarn aber die Präsidentschaft auch nicht nutzen, um gegen Ungarn laufende Verfahren zu beeinflussen oder gar zu beenden.“

Mit Blick auf die Reform und Erweiterung der Europäischen Union: Wie bewerten Sie hier den aktuellen Stand?

„Noch im Juni 2024 wurden durch die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Ukraine und der Republik Moldau Fakten für die EU Erweiterungspolitik geschaffen, die unter der ungarischen Ratspräsidentschaft nicht zurückgedreht werden können. Die strategische Agenda 2024-2029 der EU definiert die Erweiterung als eine geostrategische Investition in Frieden, Sicherheit, Stabilität und Wohlstand und sieht die notwendigen Reformen für eine handlungsfähige EU vor. Bei der nächsten EU Erweiterung handelt es sich also um einen langen Weg, der gerade erst begonnen worden ist und auf dem während der nächsten sechs Monate eher wenig Fortschritt zu erwarten sein kann.“

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