Nachgefragt bei…I.E. Botschafterin Sylvie Lucas
Im Format „Nachgefragt bei“ kommen regelmäßig europapolitische Expertinnen und Experten in Form von Kurzinterviews zu Wort. Heute blicken wir anlässlich des Beginns des Vorsitzes Luxemburgs im Ministerkomitee des Europarates auf die Arbeit dieser wichtigen Institution. Im Interview: I.E. Sylvie Lucas, Botschafterin des Großherzogtums Luxemburg in der Bundesrepublik Deutschland.
Luxemburg hat diesen Monat den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates übernommen. Welche Themen werden Sie im Rahmen des Vorsitzes in den Fokus nehmen?
Als Gründungsmitglied des Europarates, hat Luxemburg jetzt zum achten Mal den Vorsitz des Ministerkomitees inne. Dies zu einem entscheidenden Zeitpunkt für die Organisation, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiert. Die Rückkehr des Krieges auf den Europäischen Kontinent infolge der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine und bewaffnete Konflikte an seinen Grenzen, tragen zu einer tiefen Krise des Multilateralismus bei. Angesichts der Gefahr eines schwindenden Respektes seiner grundlegenden Werte, hat der Europarat mit dem Gipfel im Mai 2023 in Reykjavik, eine neue Dynamik angestoßen, die Luxemburg nun unter seinem Vorsitz weiterführt mit der konsequenten Umsetzung der in Reykjavik gefassten Beschlüsse, mit einem besonderen Fokus auf der Frage der Verantwortlichkeit Russlands für die im Rahmen des Angriffskrieges gegen die Ukraine begangenen Verbrechen.
Der luxemburgische Vorsitz des Ministerrates hat sich 3 große Prioritäten gesetzt:
- Rechtsstaatlichkeit und Demokratie – die Verteidigung gemeinsamer Normen und Politiken als wesentliche Hebel zur Bekämpfung des demokratischen Rückschritts und wachsender Bedrohungen in Europa.
- Das tägliche Zusammenleben – die Förderung von Respekt und gegenseitigem Verständnis in unseren pluralistischen Gesellschaften.
- Kultur, Sport und Erbe als Träger zur Förderung der Menschenrechte.
Wir werden weiter an der Stärkung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte arbeiten; sowie an der Verteidigung zentraler Akteure, die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie vertreten und verteidigen, wie Anwälte, Ombudspersonen und Journalisten. Weiterhin wird Luxemburg das Engagement junger Menschen für den demokratischen Prozess auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene fördern.
Die Rechte von Frauen und Mädchen, Kindern und Menschen aus sogenannten verletzlichen Gruppen werden ein anderer Schwerpunkt in den nächsten Wochen und Monaten sein.
Dies ist natürlich nur ein kurzer Einblick in das, was wir uns vorgenommen haben.
Welche Maßnahmen des Europarates sind für Sie im Kontext des russischen Angriffskrieges von Bedeutung?
Wie Sie wissen, ist der Europarat keine Sicherheitsorganisation, sondern eine Rechtsorganisation und konzentriert seine Aktivitäten auf den Schutz des Völkerrechts. Mit der Einrichtung des Schadenregisters auf dem Gipfel in Reykjavik im Mai 2023 ist der Europarat die einzige internationale Organisation, die ein rechtliches Instrument schaffen konnte, das die Grundlage für eine zukünftige Entschädigung der durch die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine verursachten Schäden bildet. Der Europarat arbeitet derzeit mit anderen Akteuren der internationalen Gemeinschaft daran, die Strukturen für die Umsetzung dieses Registers (Anspruchskommission und Entschädigungsfonds) zu schaffen, damit die Ukrainer, die Schäden erlitten haben, letztendlich entschädigt werden können. Parallel dazu arbeitet der Europarat mit der Ukraine und der internationalen Gemeinschaft an der Schaffung eines zukünftigen Sondertribunals für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine.