Nachgefragt bei… S.E. Botschafter Kai Sauer

Mit dem Format „Nachgefragt bei…“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort.

In seiner Residenz in Berlin haben wir den Botschafter der Republik Finnland in der Bundesrepublik Deutschland, S.E. Kai Sauer, getroffen und mit ihm über die europäische Verteidigungspolitik und Finnlands Rolle gesprochen

Sehr geehrter Herr Botschafter, wie bewertet Finnland die aktuelle sicherheitspolitische Lage in Europa, insbesondere im Hinblick auf seine eigene Sicherheit und die veränderte geopolitische Situation nach dem NATO-Beitritt?

S.E. Kai Sauer: Russlands Angriff auf die Ukraine hat die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert und die internationale Rechtsordnung verletzt. Wir sehen die Lage als angespannt, aber nicht als akute militärische Bedrohung für Finnland. Unser NATO-Beitritt war eine klare Reaktion auf diese neue Realität – ein historischer Schritt, der schnell und mit breitem politischem Konsens erfolgte. Neben einer expansiven Großmacht braucht es Verbündete und Abschreckung. Wir haben nie unsere Verteidigungsfähigkeit reduziert, halten an der Wehrpflicht fest und genießen eine breite Unterstützung der Streitkräfte in der Bevölkerung. Die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern, insbesondere innerhalb der NATO, ist nun ein zentraler Pfeiler unserer Sicherheitsstrategie.

Welche Rolle sollte Europa aus finnischer Sicht bei der langfristigen Sicherheit der Ukraine übernehmen?

S.E. Kai Sauer: Europa sollte seine Verteidigungsfähigkeit stärken, um langfristig mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit und die der Ukraine zu übernehmen. Dabei bleibt die transatlantische Partnerschaft zentral, aber Europa muss unabhängiger agieren können. Ein Schwerpunkt ist die Stärkung der europäischen Säule der NATO, um eine faire Lastenverteilung innerhalb des Bündnisses zu gewährleisten. Dazu gehört auch, dass alle Länder die 2%-BIP-Grenze für Verteidigungsausgaben erfüllen. Zudem sollte Europa in kritische Infrastruktur investieren, um Abhängigkeiten zu verringern, etwa durch europäische Technologien für 5G-Netze.

Wie kann Europa seine sicherheitspolitische Eigenständigkeit stärken, ohne die transatlantische Partnerschaft zu gefährden – und welche Prioritäten setzt Finnland in diesem Prozess?

S.E. Kai Sauer: Finnland unterstützt die Pläne der Kommission von einer flexibleren europäischen Finanzpolitik, um Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Einheitliche Rüstungsbeschaffung ist essenziell, wobei nicht nur große Industrienationen profitieren dürfen. Auch kleinere Länder wie Finnland bieten hochwertige Rüstungsgüter, beispielsweise Patria-Truppentransporter, die europaweit genutzt werden könnten. Gleichzeitig muss Europa weiter mit Partnern wie den USA, Großbritannien, der Türkei und Norwegen kooperieren. Für langfristige Investitionen in Verteidigung braucht es zudem wirtschaftliche Planungssicherheit für Unternehmen.

Welche konkreten Maßnahmen hält Finnland für notwendig, um die europäische Verteidigungszusammenarbeit effektiver zu gestalten und Abhängigkeiten von Drittstaaten zu reduzieren, insbesondere im Hinblick auf die nordische und baltische Sicherheitsarchitektur?

S.E. Kai Sauer: Die Sicherheit im Ostseeraum erfordert bessere Koordination zwischen den Anrainerstaaten und eine engere Zusammenarbeit innerhalb von EU und NATO. Kritische Infrastruktur, insbesondere Unterseekabel und Energieversorgung, muss besser geschützt werden. Finnland setzt auf effektive Sicherheitsstrukturen und betont die Bedeutung frühzeitiger Reaktionen, wie das Beispiel der schnellen Festsetzung des Eagle S zeigt. Zudem müssen Europa und NATO ihre Überwachungsfähigkeiten durch Satelliten- und Drohnentechnologie ausbauen, wobei finnische Unternehmen wie Iceye bereits eine wichtige Rolle spielen.

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