Nachgefragt bei…Thomas Østrup Møller

Mit dem Format "Nachgefragt bei..." kommen regelmäßig europäische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort.
Anlässlich der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Dänemark haben wir den Botschafter des Königreichs Dänemark in der Bundesrepublik Deutschland, S.E. Thomas Østrup Møller, eingeladen, mit uns über die Prioritäten und Vorhaben seines Landes im Europäischen Rat zu sprechen.
Herr Botschafter, Dänemark hat am 1. Juli in bewegten Zeiten die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Was sind die zentralen Prioritäten des dänischen Programms für die kommenden sechs Monate?
S. E. Thomas Østrup Møller: Erstmal vielen Dank für die Gelegenheit, hier in „Nachgefragt bei…“ teilzunehmen – und für die großartige Arbeit von EBD. Was die Bestrebungen von Dänemark in diesem Halbjahr angeht, gibt es vor allem zwei Hauptprioritäten: Wir streben zum ersten nach einem sicheren Europa und zum zweiten nach einem wettbewerbsfähigen, grünen Europa.
Was Sicherheit betrifft, arbeiten wir für ein Europa, das den großen Herausforderungen der Zeit gewachsen ist. Dazu gehört ganz maßgeblich, dass sich Europa selber verteidigen kann. Dies muss bis 2030 passieren. Die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie ist hierbei zentral. Auch die Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg ist weiterhin eine große Priorität – sowohl politisch als auch wirtschaftlich, zivilgesellschaftlich und militärisch. Auch beim Thema EU-Erweiterung möchten wir weiterkommen – ein Thema was unlängst eine entscheidende geostrategische Perspektive hat. Dabei bin ich mir sicher: Eine ehrgeizige, leistungsbasierte Erweiterung wird die EU stärken. Hier steht nicht nur die Ukraine, sondern auch Moldau und die Staaten des westlichen Balkans im Fokus.
Auch das Thema Migration hat mit Sicherheit zu tun. Wir müssen unsere Außengrenzen schützen. Irreguläre Migration darf weder den europäischen Zusammenhalt, noch unsere Sicherheit unterwandern – an unserer östlichen Außengrenze geschieht das sogar als versuchte, gezielte Destabilisierung unserer Union, was inakzeptabel ist. Daher möchten wir unter unserer Präsidentschaft an neuen und innovativen Lösungen zu irregulärer Migration arbeiten, darunter die Stärkung von umfangreichen, strategischen Partnerschaften entlang der Haupt-Migrationsrouten. Zur Sicherheit gehört übrigens aber auch die Stärkung demokratischer Resilienz – darunter die Regulierung von Tech-Giganten. Wir müssen diese in die Verantwortung nehmen, was den Kampf gegen Desinformation und den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet betrifft.
Und zur zweiten Hauptpriorität: Wettbewerbsfähigkeit. Wie will Dänemark für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, um „ein wettbewerbsfähiges und gleichzeitig grünes Europa“ zu schaffen, wie Sie es formulieren?
S. E. Thomas Østrup Møller: Die Antwort liegt hier teilweise in dieser Formulierung, worauf Sie hinweisen: Die grüne Transformation fördert unsere Sicherheit und Resilienz, aber auch unsere Wettbewerbsfähigkeit. In Dänemark sagen wir deshalb nie grüne Transformation ODER Wettbewerbsfähigkeit, sondern grüne Transformation IST Wettbewerbsfähigkeit.
Im Bereich Wettbewerbsfähigkeit gibt es genug zu tun. Der Draghi-Rapport vom letzten Jahr hat ein alarmierendes Bild zum Zustand der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gezeichnet. An den aufgezeigten Problemstellen müssen wir in dieser Welt der steigenden globalen Rivalität dringend arbeiten. So ist Entbürokratisierung ein entscheidendes Thema, sowohl für unsere Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger und Verwaltungen. Auch strategische Beziehungen zu Drittländern spielen eine zentrale Rolle, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Der Ausbau der weltweiten Handelsabkommen und Wirtschaftspartnerschaften wird daher auch eine Priorität sein, Nicht zuletzt, weil die Gefahr von Handelskriegen und Zöllen zunimmt. Wir müssen unsere Handelspolitik nutzen, um unsere Lieferketten zu diversifizieren und robuster zu machen. Während andere Zollmauern errichten, sollten wir neue Handelspartnerschaften eingehen. Stärkere Integration der Kapitalmärkte wird auch ein weiteres wichtiges Thema sein – hier wird das Ziel die Entwicklung einer echten Investitions- und Kapitalmarktunion sein.
Dänemark will während der Ratspräsidentschaft auf eine Einigung zu den EU-Klimazielen für 2040 hinzuwirken. Welche Maßnahmen sind geplant, um die Energiewende in Europa voranzutreiben?
S. E. Thomas Østrup Møller: Die grüne Transformation wird vor allem durch einen Ausbau von erneuerbarer Energie beschleunigt werden können. Das sind große Investitionen, die Wachstumsimpulse und eine erschwingliche und resiliente Energieversorgung fördern. Hierbei muss insbesondere auch die europäische Energieinfrastruktur ausgebaut werden. Die Versorgungssicherheit auf den Energiemärkten muss gestärkt, und die EU muss endgültig unabhängig von russischem Gas werden. Deshalb ist es absolut entscheidend, dass die EU weiterhin eine Führungsrolle in Sachen Klimaschutz und grüne Transformation einnimmt. Das beinhaltet auch, dass wir in der dänischen EU-Ratspräsidentschaft ein ehrgeiziges 2040-Ziel anstreben. Es gibt in den unterschiedlichen europäischen Ländern ja unterschiedliche Voraussetzungen. Aber eben deshalb arbeiten wir für eine ambitionierte Einigung – auch mit den Themen Sicherheit, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit vor Auge.
Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus gewinnt die Debatte um die strategische Autonomie Europas an Bedeutung. Wie plant Dänemark, die sicherheitspolitische Eigenständigkeit der EU zu stärken?
S. E. Thomas Østrup Møller: Erstmal muss ich betonen: Russlands illegale und groß angelegte Invasion der Ukraine ist in seinem vierten Jahr! Die Bedrohung Europas ist leider konkret. Deshalb ist die militärische Unterstützung der Ukraine nach wie vor eine Voraussetzung dafür, dass die Ukraine in eine Position der Stärke versetzt wird und sich weiterhin der groß angelegten Invasion Russlands widersetzt – und auch nach einem möglichen Friedensabkommen langfristig hinreichend Abschreckungsfähigkeit hat. Der Vorsitz wird daher daran arbeiten, die militärische Unterstützung der EU insgesamt zu erhöhen.
Ein zentraler Punkt der sicherheitspolitischen Eigenständigkeit Europas ist deshalbdie Entwicklung wichtiger Verteidigungskapazitäten und die Entwicklung einer robusteren und wettbewerbsfähigeren Verteidigungsindustrie in Europa. Konkret arbeitet Dänemark in der EU-Ratspräsidentschaft unter anderem für die Implementierung von Initiativen in dem ReArm Europe Plan – aber auch für die Stärkung der Verteidigung der EU gegen hybride Vorfälle und für eine strategischere Nutzung des EU-Instrumentariums für die Cyberdiplomatie. Das Ziel ist es, die allgemeine Widerstandsfähigkeit der EU aber auch die Komplementarität zwischen der EU und der NATO zu stärken – darunter will der dänische Vorsitz beispielswese die zivil-militärische Zusammenarbeit fördern.