Neue EBD-Präsidentin Dr. Anna-Maija Mertens und 75 Jahre EBD & Europarat | Feierlichkeiten auf der EBD-Mitgliederversammlung 2024
Ein gemeinsamer Geburtstag, eine gemeinsame Geschichte - die EBD und der Europarat teilen so einiges. Bei unserer diesjährigen Mitgliederversammlung konnten wir das 75-jährige Jubiläum der beiden Organisationen gebührend feiern. Dazu kam das höchste Gremium der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. am 14. Oktober im Hans-Böckler-Haus unseres Gastgebers - des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zusammen. Bei den turnusmäßigen Neuwahlen des Vorstandes und der EBD-Präsidentin wurde Dr. Anna-Maija Mertens als neue Präsidentin der EBD durch die Mitgliederversammlung mit einem herausragendem Ergebnis von 92,3% gewählt.
Die turnusmäßig nach sechs Jahren aus dem Amt scheidende Präsidentin, Dr. Linn Selle, eröffnete die Mitgliederversammlung und hieß Delegierte sowie Gäste willkommen. Unter ihnen waren mit Frau Dr. Monika Wulf-Mathies auch eine ihrer Vorgängerinnen im Amt der Präsidentin der EBD (2000-2006) und ehemalige EU-Kommissarin anwesend. Darüber hinaus begrüßte sie insbesondere ihre designierte Nachfolgerin, Dr. Anna-Maija Mertens und die Impulsgeberinnen Anja Wallau, Beauftragte für Grundsatzfragen der Europapolitik, EU-Koordinierung und EU-Außenbeziehungen aus dem Auswärtigen Amt (AA), Frank Schwabe MdB sowie Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des DGBs und Gastgeberin der diesjährigen Mitgliederversammlung.
In ihrem Grußwort hob Fahimi die Notwendigkeit hervor, Europa in Anbetracht globaler Systemkonkurrenzen gemeinsam im Inneren zusammenzuhalten. Vor diesem Hintergrund sei ein europäischer Strukturwandel essenziell, um eine innovative Industrie zu fördern, Arbeitsplätze zu sichern und damit etwas zum inneren Frieden Europas beizutragen. Sie dankte der EBD als diverses und "Demokratie-im-Kleinen" praktizierendes Netzwerk für die erfolgreiche Zusammenarbeit hinsichtlich der Europawahl. Doch nach den Europawahlen sei vor der Bundestagswahl und es werde nicht ausreichen, lediglich Argumentationskarten für die europäische Idee zu schreiben: "Wir müssen aktiv unsere eigenen Geschichten eines Europas der Gemeinsamkeiten und Geschlossenheit schreiben", resümiert sie und appelliert daran, unsere Art der Völkerverständigung als Erfolgsmodell weiter zu stärken, um global wettberwerbsfähig sein zu können.
Es folgte ein Input von Anja Wallau, Beauftrage (EB1) für Grundsatzfragen der Europapolitik, EU-Koordinierung und EU-Außenbeziehungen im AA. Sie vertrat die kurzfristig verhinderte Staatsministerin Dr. Anna Lührmann und übermittelte deren persönliche Grüße an Frau Dr. Selle. Wallau knüpfte an Forderung nach positiven Narrativen von Fahimi an und proklamierte mit Bezug auf Max Raabe, "Heute ist ein guter Tag um glücklich zu sein!". Schaue man auf die parallel laufende Westbalkan Konferenz in Berlin, werde deutlich, dass wir in der EU weiterhin eine große Anziehungskraft ausstrahlen. Zudem zeige sich der Staatenverbund mit Sanktionspaketen und der starken finanziellen Unterstützung der Ukraine als handlungsfähig. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte. Daher dankte sie der Arbeit der EBD, die diese Werte über ihre Mitglieder in die Gesellschaft trage und als Ideengeberin von der Bundesregierung geschätzt werde. Auch lobte sie die neue Kooperation der EBD mit dem Europarat zur Stärkung seiner Sichtbarkeit in Deutschland, denn dieser sei mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Hüter europäischer Errungenschaften.
In ihrem letzten Politischen Bericht betonte die scheidende EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle die Vision eines grenzenlosen Europas, das von der EBD stets seit ihrer Gründung verfolgt werde. Sie zeigte sich besorgt über den zunehmenden nationalen Grenzpopulismus in Deutschland und die dysfunktionale Europakoordinierung der Bundesregierung, die Deutschlands Glaubwürdigkeit und die europäische Integration gefährde. Der überbordende Bürokratismus im Auswärtigen Amt und ihren nachgeordneten Behörden, der zivilgesellschaftliche Organisationen hemme, sei ein weiteres Problem. Die EBD habe gemeinsam mit ihren Mitgliedsorganisationen zahlreiche Impulse zur Bewältigung aktueller Herausforderungen gegeben und auch im Vorfeld der Europawahl 2024 viele Kampagnen gestartet. In ihrer Zukunftsvision wünschte sie sich, dass die EBD auch in Zukunft nicht die einfachsten, aber besten Lösungen entwickelt. "Wir sind keine Jubeleuropäerinnen, sondern kritische, aber immer konstruktive Begleiter der deutschen Europapolitik. Aber Probleme müssen angesprochen werden, auch öffentlich, denn sonst tun es andere." Zudem erhoffe sie sich, in Zukunft eine "Europäische Bewegung Ukraine" im internationalen Netzwerk der EBD zu wissen. Sie schloss ihre Rede mit einem Zitat von Simone Veil: „Europa ist nie eine Selbstverständlichkeit, Europa ist Wille und Geduld.“
Dem Politischen Bericht der scheidenden Präsidentin folgte Generalsekretär Bernd Hüttemann mit dem Organisatorischen Bericht zur Vereinsarbeit des letzten Jahres. Hier lobte er die gute Zusammenarbeit und die neue Zielvereinbarung mit dem AA und dankte der Staatsministerin und dem E-Stab. Darüber hinaus seien die gestiegene mediale Präsenz der EBD, die starke Netzwerkkampagne zur Europawahl sowie die erfolgreichen Projekte Gründe zur Freude. Und auch über die neue Kooperation und der gemeinsamen Reinaissance mit dem Europarat könne die EBD stolz sein.
Ein weiterer Gast unserer Mitgliederversammlung war Frank Schwabe, MdB und Leiter der deutschen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Vor dem Hintergrund der neuen Kooperation zwischen EBD und Europarat forderte er, dass die Errungenschaften des Europarates politischer gesehen werden sollten. Allgemein müssten Institutionen wie die EU, die OSZE und der Europarat strikter auseinandergehalten werden. Während bspw. im Rahmen der OSZE auch in Zukunft ein Umgang mit Staaten wie Russland gefunden werden muss, sei das beim Europarat nicht der Fall. Dieser sei eine Institution der gemeinsamen Grundwerte, an die sich alle Mitglieder halten müssten und deren Einfluss man nicht unterschätzen solle. Weiterführend warf Schwabe einen Blick auf die anstehenden Wahlen Georgien, an denen sich entscheiden würde, ob das Land in eine Diktatur abrutschen und damit die Stabilität der gesamten kaukasischen Region bedrohen, oder es auf dem Pfad einer beeinträchtigen Demokratie bleiben würde. Vor diesen Hintergründen plädierte er am Ende für einen starken Europarat als Ort der Gerechtigkeit und Menschenrechte, der das Individuum vor Übergriffen des eigenen Staates beschütze.
In Anbetracht der turnusgemäßen Neuwahl der Präsidentin stellte sich die designierte neue EBD-Präsidentin Dr. Anna-Maija Mertens den Delegierten und Gästen der Mitgliederversammlung vor. In ihrer Rede betont sie die Vielfältigkeit Europas. Die in der breiten Gesellschaft verankerte EBD agiere als Bindeglied und Lotse zwischen ihren Mitgliedsorganisationen, der Bundesregierung und der internationalen Ebene. Angesichts der herausfordernden Zeiten sei gerade die Vielfältigkeit der EBD zentral, um sich gegen die gesellschaftliche Spaltung zu stellen, denn "unser mächtigstes Instrument ist der Dialog. Grenzüberschreitend und überparteilich. Europäisch." Und "Europa sind wir alle [...], wer mit dem Finger auf die "Eurokratie" zeigt, sollte bedenken, dass drei Finger auf Bund, Länder und Kommunen zurückweisen, so Dr. Mertens. So wolle sie sich unter anderem für eine weitere politische wie finanzielle Stärkung der bedeutenden Rolle des Europarates in der multilateralen Architektur Europas einsetzen. Dabei sei jedoch zentral, dass Europa nicht als Elitenprojekt sondern als Projekt aller Menschen Europas verstanden wird. Als in Finnland geboren und seit 1995 in Deutschland lebend habe sie selbst Europa und der EU viel zu verdanken und sei eine überzeugte Europäerin.
Vor der Übergabe des Staffelstabes an Dr. Anna-Maija Mertens gebührte ihrer Vorgängerin Dr. Linn Selle nach der einstimmigen Entlastung des Vorstands ein feierlicher Abschied nach sechs Jahren an der Spitze der EBD als ihre Präsidentin. Neben europäischen Geschenken wie etwa einer europäischen Fackel erhielt Dr. Selle eine Reihe an Danksagungen, so unter anderem von der ehemaligen EBD-Präsidentin und EU-Kommissarin a.D. Dr. Monika Wulf-Mathies, Eva Maydell (MdEP,Präsidentin der EMI a.D.), Dr. Anton Hofreiter (MdB, Bündis 90/ Die Grünen), Gabriele Bischoff (MdEP, SPD), Lisi Maier (Bundesstiftung Gleichstellung), Michael Gahler (MdEP, CDU), Michael Roth (MdB, SPD), Dr. Anna Lührmann (MdB, Staatsministerin für Europa, AA), Eric Nussbaumer (EB Schweiz) sowie Barbara Gessler (Vertreterin der Europäischen Kommission in Deutschland). Sie wurde mit stehender Akklamation verabschiedet und am Ende der MV einstimmig zur Ehrenpräsidentin der EBD gewählt.
Im Anschluss an die Verabschiedung von Frau Dr. Selle wurde Frau Dr. Mertens feierlich von den Delegierten der Mitgliederversammlung zur neuen Präsidentin der EBD gewählt. Ihr folgte ein wiedergewählte Vereinsspitze bestehend aus den Vizepräsidentinnen und -präsidenten Barbara Lochbihler, Michael Gahler (MdEP) und Christian Petry (MdB). Als Schatzmeister wurde RA Peter Hahn für eine weitere Amtszeit bestätigt. Die Wahlen der weiteren Vorstandsmitglieder, welche die verschiedenen Bereiche der EBD-Mitgliedsorganisationen vertreten, können hier eingesehen werden.
Mit dem Abschluss der diesjährigen Mitgliederversammlung begrüßt die EBD acht neue Mitglieder. Somit hat die EBD zum 14. Oktober 2024 240 Mitgliedsorganisationen.
Einen weiteren zentralen Punkt stellte die einstimmige Verabschiedung der EBD-Politik 2024/25 dar. In einem mehrmonatigen Konsultationsprozess wurde die Expertise der Mitgliedsorganisationen eingeholt, um die EBD-Politik zu überarbeiten und auf die jüngsten europapolitischen Entwicklungen zu reagieren. Die politische Arbeit des Verbandes wird in den kommenden Monaten von EBD-Prioritäten geprägt sein, die sich den europäischen Werten und Grundrechten widmen. Wie die neue Präsidentin sagte, „lasst uns Europa gemeinsam gestalten!“. Dies wird das EBD-Netzwerk in die kommende Amtszeit mit neuen Mitgliedern und Gremien begleiten.