Nachgefragt bei…S.E. Jan Tombiński
Mit dem Format „Nachgefragt bei...“ kommen regelmäßig europapolitische Stimmen in Form eines Kurzinterviews zu Wort.
Heute heißt es mit dem Fokus auf die Polnische EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Januar 2025: Nachgefragt bei … S.E. Jan Tombiński, Charge d’affaires a.i. der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland.
Herr Botschafter, am 1. Januar 2025 hat Polen von Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft für sechs Monate übernommen. Was ist für Sie persönlich das wichtigste Thema der polnischen EU- Ratspräsidentschaft?
S.E. Jan Tombiński: Sicherheit ist etwas, das das Europa von heute prägt und die Denkweise in Europa gestaltet. Jahrzehntelang haben wir mit dem Gefühl gelebt, dass es Kriege eher nur im Fernsehen gibt als auf dem europäischen Kontinent. Die jugoslawischen Kriege sind schon vergessen, 30 Jahre danach haben wir eine viel größere Gefahr aus Russland. Seit zehn Jahren gibt es in Europa einen Krieg, seit drei Jahren wird er offen geführt. Wir haben heute einen Krieg um die Werte, auf denen Europa aufgebaut wurde. Es ist ein massiver Angriffskrieg, wie wir ihn in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht kannten. Da müssen wir auch entsprechend handeln.
Hat Deutschland angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Zeitenwende verinnerlicht und wo könnte Deutschland nach der Bundestagswahl noch mehr unternehmen?
Wir müssen abwarten, wie die Wahl in Deutschland im Februar ausgeht – die Investitionen in die Sicherheit und auch in die Infrastruktur sind bereits Wahlkampfthemen.
Eines ist sicher – in allen unseren europäischen Ländern müssen wir viel mehr für Sicherheit und Verteidigung ausgeben, und es geht nicht allein um die Deutschen. Sicherheitsausgaben auf einem niedrigeren Niveau als die für die NATO-Mitglieder abgesprochenen 2% des BIP hatten viele Länder. Da gibt es einen großen Nachholbedarf. Das heißt, wir müssen jetzt mehr als abgesprochen ausgeben, um in drei, vier, fünf Jahren vielleicht wieder auf die 2% zurückzukommen.
Hält das Weimarer Dreieck, die Zusammenarbeit Frankreich, Deutschlands und Polens, was es verspricht?
Es ist uns in den letzten 12 Monaten gelungen, die Weimarer Zusammenarbeit zu intensivieren. Es gab Treffen der Staats- und Regierungschefs, der Außenminister und der Europaminister. Wir wollen die Zusammenarbeit mit mehr Inhalt füllen, zumal sich Europa in einer besonderen Situation befindet, wegen u.a. der russischen Aggression gegen die Ukraine, oder des Erstarkens rechtspopulistischer und antieuropäischer Gruppierungen. Das Weimarer Dreieck soll in Europa und im europäischen Integrationsprozess eine wichtige Rolle als Ideenschmiede und Ort der Kompromissfindung spielen.
Polen betrachtet die trilaterale Zusammenarbeit mit Deutschland und Frankreich als ein Format für die Stärkung der europäischen Resilienz.